Interview Conni Wild

Name der Anleiterin: Conni (Cornelia) Wild

Arbeitsbereich: Anleitungmittwochs und freitags

Garten, Seminarhaus, etc.

Was bedeutet es für Sie mit Menschen mit Beeinträchtigung zu arbeiten?

Als ich diesen Job übernahm, bin ich ja von der Angestellten zur Chefin gewechselt. Das war für mich das Einschneidendere. Ich habe jetzt die große Verantwortung, mit dieser Chefrolle zurechtzukommen: Wie leitet und motiviert man? Wie organisiert und delegiert man Arbeiten?

Man muss gucken: Ist jemand feinmotorisch oder grobmotorisch, arbeitet er lieber allein oder zusammen, drinnen oder draußen? – Oder zu welcher Zeit drinnen, zu welcher Zeit draußen – ist es ihm zu kalt, hat er Heuschnupfen? Oder auch: Wie ist die Stimmung? Schön ist es, wenn man es hinkriegt, dass es auch mit der Gruppe klappt. Dass die Leute sich gegenseitig unterstützen oder etwas zeigen können.

Je nach Gruppenkonstellation muss man bei unseren Beschäftigten vielleicht mit noch mehr Unerwartetem zurechtkommen. Man muss flexibel sein und auf das reagieren, was jetzt gerade ist, statt den Plan durchzuziehen. Hier kommt immer alles direkt raus, was auf einer gängigen Arbeitsstelle vielleicht zunächst hinter dem Rücken geschieht. Das ist anstrengend, hat aber auch etwas Gutes.

Und egal ob jemand Einschränkungen hat oder nicht: Menschen sind immer kompliziert – und so ist Leben und Arbeiten mit Menschen immer eine Herausforderung.

Was bedeutet es für Ihre Einrichtung?

Es bedeutet eine große Unterstützung – vor allem für das Seminarhaus. Sonst müssten wir alles selbst herrichten und putzen. Außerdem haben wir ein großes Gelände. Da fallen viele verschiedenartige gärtnerische und handwerkliche Tätigkeiten an – auch mal Restaurieren, Lehm verputzen … All das kann von unseren Beschäftigten auch gemacht und gelernt werden. Und bei schwereren Arbeiten wie z.B. Holz tragen oder Teich ausbaggern schaffen sie mehr als wir. Einfach weil sie jünger sind.

Der Verein schätzt das sehr, auch wenn er manchmal vielleicht noch mehr in einem schnelleren Tempo getan sehen will. Aber da ist vor allem viel Wohlwollen und Freude, dass noch mehr und noch jüngere Leute auf dem Hof sind.

Es ist auch für uns eine Teilhabe, umgekehrt – an noch einem anderen Teil der Gesellschaft sozusagen. Und eine Vernetzung in diese Gegend hinein, in die wir – hauptsächlich Westberliner – ja erst vor zwanzig Jahren gezogen sind.

Was empfinden Sie als bereichernd?

Ich kann nicht sagen, dass die Beeinträchtigung an sich eine spezielle Bereicherung ist. Ich bin einfach glücklich, Mitarbeiter, Kollegen zu haben. Einerseits, weil ich dadurch so eine große Unterstützung im Garten habe. Andererseits, weil das Zusammenarbeiten bereichernd ist – gerade auch menschlich.

Und als herausfordernd?

Besonders herausfordernd finde ich es, auf große emotionale Schübe zu reagieren, manchmal schon morgens auf nüchternen Magen. Da gibt es schon Situationen, wo man ratlos ist. Aber wenn es gar nicht mehr passt, es auch innerhalb der Gruppe zu viel Streit gibt, muss man sich vielleicht auch wieder trennen. Das geht dann gar nicht anders. Aber das ist ja auch im normalen Leben so.

Und das Leiten und Motivieren! Da gibt es unterschiedliche Typen: Den einen muss man vielleicht bremsen, den andern anspornen. Das ist im Gegensatz zu einem Team, wo keine Leute mit Beeinträchtigung sind, vielleicht extremer – in jede Richtung.

Und die Geduld aufzubringen ist für mich eine Herausforderung. Ich komme ja aus der Gärtnerei, da heißt es: Zack zack zack. Da muss geschafft werden, das ist auch ein Ethos. Bei der Arbeit mit den Beschäftigten hier ist es wichtig zu verstehen, dass es Gründe hat, wenn etwas nicht gleich so klappt und dass manchmal Abwarten ganz gut ist.

Aber da lernt man dazu und sammelt Erfahrung. Man kommt auf Ideen, wird professioneller und vor allem routinierter.

Welche Rolle spielt Midria in der Begleitung von Ihren Beschäftigten?

Wenn es Konflikte gibt, reagiert Midria immer sofort. Sie schaffen Klarheit und Möglichkeiten, wenn es bestimmte Wünsche bei den Teilnehmern gibt.

Und wenn es gar nicht mehr klappt – zum Beispiel auch innerhalb der Gruppe, dann helfen Sie, dass der Beschäftigte woanders ein Praktikum oder eine Stelle findet.

Es muss sehr fordernd für die MitarbeiterInnen sein: Sie versuchen viel umzusetzen und auch mit sehr hohem Anspruch. Das ist, glaube ich, nicht einfach.

Wir haben auch Fortbildungen, zum Beispiel zu bestimmten Krankheitsbildern: Und wenn ich etwas besser verstehe, kann ich besser darauf reagieren. Gerade auch der Austausch mit anderen AnleiterInnen in der Pause war für mich sehr unterstützend – manchmal mehr als das Seminar selbst.

Welche Vorstellungen oder Wünsche haben Sie im Hinblick auf die Inklusion oder an Midria?

Bei den Fortbildungen würde ich mir mehr zum Thema Selbstfürsorge wünschen. Statt um die Einschränkungen der Beschäftigten darf es darin auch einmal um die Bedürfnisse und Schwierigkeiten der AnleiterInnen gehen, finde ich.